Das AGG
Das Recht auf Gleichbehandlung und was es für Dich bedeutet
„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ Das besagt Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Für viele mag das selbstverständlich sein, doch leider gibt es in der Welt und auch in unserem Alltag immer wieder Fälle von Diskriminierung und Benachteiligung. Sei es aufgrund von Geschlecht, Herkunft, Alter, Religion oder einer körperlichen oder geistigen Behinderung. Dabei besagt Artikel 7 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte doch deutlich: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich und haben ohne Unterschied Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz.“
Um diesen Anspruch zu gewährleisten und jedem, der sich benachteiligt fühlt, die Möglichkeit zu geben, rechtlich gegen Benachteiligungen und Diskriminierungen vorzugehen, wurde im Jahr 2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ins Leben gerufen.
Hier erfährst Du alles, was Du über das AGG wissen musst und wie Du Dich darauf beziehen kannst, solltest du Ungleichbehandlung, Diskriminierung oder Benachteiligung während Deiner Ausbildung erfahren.
Benachteiligung im Sinne des AGG
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz soll als Schutz vor Diskriminierung in jedweder Form und aus jedwedem Grund dienen. Betroffene können sich vor Gericht darauf beziehen und damit gegen ungleiche Behandlungen vorgehen. Ziel des AGG ist es, ein diskriminierungsfreies Umfeld für Männer und Frauen jeden Alters, jeder Konfession, Herkunft, Sexualität und körperlicher oder geistiger Einschränkung zu schaffen.
Das AGG kann nicht nur im alltäglichen Leben für Dich relevant werden, sondern bereits während Deiner Ausbildung und in Deinem späteren Beruf. Darum ist es umso wichtiger zu wissen, was das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz regelt und wie Du Dich im Zweifelsfall darauf berufen kannst.
Das AGG greift bereits bei einer Stellenbeschreibung, falls Du Dich durch diese diskriminiert fühlst. Zum Beispiel, weil die Stellenausschreibung nur Männer anspricht, Du aber eine Frau bist oder sie die Stelle auf ein bestimmtes Alter beziehungsweise eine Altersgruppe eingrenzt. Denn es ist wichtig, dass die Ausschreibung geschlechtsneutral und ohne Altersangabe formuliert ist. Außerdem darf sie keine Verweise auf die mögliche Herkunft des Bewerbers beinhalten oder Bewerber mit körperlichen Defiziten mit Formulierungen wie „körperlich uneingeschränkt leistungsfähig“ ausschließen. Ist dies nicht der Fall, liegt hier bereits ein Fall von Benachteiligung vor.
Sollte Deine Bewerbung auf eine Ausbildungsstelle aus Gründen, die Deiner Meinung nach auf Diskriminierung und fehlende Gleichberechtigung zurückzuführen sind, abgelehnt werden, hast Du das Recht auf eine Geldentschädigung in angemessener Höhe. In einem solchen Fall greift das AGG gemäß der Beweislastumkehr (§ 22 AGG), und der Betrieb muss beweisen, dass die Ablehnung Deiner Bewerbung nicht auf Diskriminierung beruht.
Auch im Vorstellungsgespräch kann es zu Situationen kommen, in denen Du Dich benachteiligt und unfair behandelt fühlst. Etwa weil ein Bewerber, der in Deutschland geboren wurde, während Du aus dem Ausland stammst, vorgezogen wird oder Dir von Anfang an deutlich gemacht wird, dass Du mit einer körperlichen oder psychischen Einschränkung kaum eine Chance auf die freie Ausbildungsstelle hast. Allein schon eine unzulässige Frage während des Bewerbungsgesprächs kann als Benachteiligung gesehen werden.
Ein Recht darauf, trotzdem eingestellt zu werden, hast Du allerdings nicht, da dies per Gesetz ausgeschlossen ist. Aber selbst wenn das möglich wäre: Willst Du wirklich in einem Betrieb arbeiten, der Dich schon im Vorstellungsgespräch diskriminiert?
Natürlich kannst Du auch hier wie bei der Bewerbung von Deinem Recht auf Entschädigung und Schadensersatz (§ 15 AGG) Gebrauch machen. Dann ist der Betrieb dazu gezwungen, zu beweisen, dass die Benachteiligung nicht auf Deine Herkunft, Gesundheit, Sexualität, Religion etc. zurückzuführen ist. Hierbei ist es wichtig, das gesamte Bewerbungsverfahren angefangen bei der Stellenausschreibung über die Bewerbung bis hin zum Vorstellungsgespräch zu dokumentieren, damit Du die nötigen Beweise für den Fall der Diskriminierung sammeln und vorlegen kannst. Außerdem solltest Du darauf achten, die gesetzliche Frist von zwei Monaten einzuhalten.
Benachteiligung in der Ausbildung
Leider kann es auch während Deiner Ausbildung zu Benachteiligungen und Diskriminierung in der einen oder anderen Form kommen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz unterscheidet in § 3 AGG zwischen fünf Arten von Benachteiligung:
Als Belästigung gilt das unerwünschte Verhalten einer anderen Person, wodurch sich für Dich ein Nachteil ergibt oder Du Dich in Deiner Menschenwürde angegriffen fühlst. Darunter fallen Anfeindungen und Beleidigungen, aber auch Mobbing am Arbeitsplatz. Nichts davon solltest Du Dir gefallen lassen müssen.
Diese trifft ein, wenn Du im Vergleich zu jemand anderem in einer ähnlichen Situation, etwa einem anderen Auszubildenden, benachteiligt wirst. Hierbei muss dieser Nachteil auf eine Diskriminierung aus ethnischen, geschlechts- oder altersspezifischen, religiösen, rassistischen oder Gründen einer Behinderung, wie sie in § 1 AGG aufgelistet sind, zurückzuführen sein. Wirst Du aus einem oder mehrerer dieser Gründe benachteiligt, während jemand anderes – im realen Leben oder auch nur hypothetisch – eine bessere Behandlung zuteilwird, liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor. Dies schließt auch Frauen während der Schwangerschaft oder in Elternzeit mit ein, die aufgrund dessen in irgendeiner Form Nachteile im Berufsleben erfahren.
Eine mittelbare Benachteiligung liegt per Gesetz vor, wenn sich Nachteile für Dich ergeben, die nicht direkt auf die in § 1 AGG genannten Punkte zurückführen lassen. Dies gilt zum Beispiel für Regeln und Kriterien, die auf den ersten Blick neutral wirken, aus denen sich für Dich aber eine ungünstigere Behandlung ergibt und aus denen der Betrieb Vorteile und Profit schlagen kann, während Du benachteiligt wirst.
Fordert jemand an Deinem Arbeitsplatz jemand anderen dazu auf, Dich oder einen Deiner Kollegen beziehungsweise Kolleginnen zu benachteiligen oder zu belästigen, zählt dies als Anweisung zur Benachteiligung. Dabei spielt es keine Rolle, ob die betreffende Person dieser Anweisung auch Folge geleistet hat oder nicht.
Sollte sich Dir gegenüber jemand unangemessen verhalten, zum Beispiel durch obszöne Bemerkungen oder sexuell geleitete Berührungen, die Du weder möchtest noch gutheißt und die Deine Privatsphäre verletzen, liegt eine sexuelle Belästigung vor. Hierzu gehört auch, wenn Dich jemand unerwünscht mit pornografischen Darstellungen belästigt. Sobald Du Dich auf diese Weise belästigst oder gar bedroht fühlst, solltest Du sofort handeln.
Ich fühle mich benachteiligt – was nun?
Wenn Du Dich während deiner Ausbildung oder schon bei der Bewerbung benachteiligt fühlst, bietet Dir das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verschiedene Möglichkeiten, um dagegen vorzugehen.
Laut § 13 AGG hast Du ein Beschwerderecht. Dieses kannst Du in einem Gespräch mit Deinem Ausbilder in Anspruch nehmen, indem Du Deine Situation ruhig und sachlich darlegst. Sollte dies nicht ausreichen, kannst Du Dich aber auch an die dafür zuständigen Stellen im Betrieb wenden und eine Beschwerde einreichen. Diese Beschwerden müssen per Gesetz geprüft werden und die zuständigen Stellen müssen Dir anschließend auch das Ergebnis dieser Prüfung mitteilen.
Am besten holst Du Dir Unterstützung durch andere Mitarbeiter des Betriebs, die Zeugen der Benachteiligung geworden sind oder diese ebenfalls erfahren haben. Durch die Aussagen eines Zeugen oder den Zusammenschluss mehrerer Leute, die auf die eine oder andere Weise diskriminiert wurden, hat die Beschwerde mehr Gewicht. Sollte dies mehrere Auszubildende betreffen, könnt ihr auch eine Jugend- und Auszubildendenvertretung bilden.
Sollte die Beschwerde nicht geprüft worden sein oder zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis geführt haben, kannst Du Dich an die nächste Instanz wenden. Während der Ausbildung in einem Betrieb wäre dies der Betriebsrat. Bei größeren Betrieben besteht auch die Möglichkeit, eine Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) ins Leben zu rufen. Jeder Arbeitnehmer unter 25 Jahren, der nicht zum Betriebsrat gehört, darf sich zur Wahl stellen. Dabei muss er oder sie nicht zwangsweise noch in Ausbildung sein. Die JAV soll die Rechte der Auszubildenden vertreten und arbeitet dabei mit dem Betriebsrat zusammen. Ziel ist es, über die Einhaltung von Gesetzen und Verträgen zu wachen, Probleme Auszubildender im Betrieb zu lösen und Auszubildende mit Migrationshintergrund in den Betrieb und Arbeitsalltag zu integrieren. Zu den Aufgaben der JAV gehört es auch, gegen Benachteiligungen und Diskriminierung am Arbeitsplatz vorzugehen.
Haben Dich weder Beschwerden noch Betriebsrat und JAV weitergebracht, darfst Du Deinen Arbeitgeber in die Pflicht nehmen und Dich auf das AGG berufen. Denn gemäß § 14 AGG hast Du ein Recht zur Leistungsverweigerung. Dies gilt in Fällen, in denen der Betrieb trotz Deiner Beschwerde nicht handelt und somit nicht gegen den Grund für die Benachteiligung vorgeht. Zu Deinem persönlichen Schutz darfst Du Dich auf das Recht der Leistungsverweigerung berufen und Deine Arbeit einstellen, ohne dadurch Nachteile, wie zum Beispiel Gehaltskürzungen oder Gehaltsverlust, zu erfahren.
Der Weg über das Arbeitsgericht sollte Deine letzte Option sein, doch in manchen Fällen gibt es leider keine andere Möglichkeit mehr. § 15 AGG sichert Dir das Recht auf Schadensersatz und auf Entschädigung zu. Hierbei hat Dein Arbeitgeber Schadensersatz zu leisten, sollten Dir durch Diskriminierung, Belästigung oder Benachteiligung in jedweder Form Nachteile entstanden sein. Allerdings kannst Du Dich nur dann auf dieses Recht beziehen, wenn Du nachweisen kannst, dass der Betrieb grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat.
Denk immer daran: Du hast ein Recht auf Gleichbehandlung und das AGG kann Dir dabei helfen, dieses Recht einzufordern. Dabei geht es nicht darum, die Unterschiede zwischen Menschen verschiedenen Alters, Geschlechts, Herkunft, Religion und körperlicher Unversehrtheit herunterzuspielen oder gar zu ignorieren. Diese Unterschiede gibt es und sollten als solche auch anerkannt werden. Aber es ist wichtig, dass diese Unterschiede nicht mit Nachteilen für Dich einhergehen.